Alles Sprechen und Schreiben heißt würfeln um den Gedanken. Wie oft fällt nur ein Auge, wenn alle sechs fallen sollten.

Christian Friedrich Hebbel
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AE
Wutbürger soll das Wort des Jahres sein
Es ist heraus: Das von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gekürte "Wort des Jahres 2010" lautet Wutbürger. Nein, es entstammt nicht dem Nährboden der Bildzeitung, dazu ist es vielleicht dann doch eine winzige Spur zu intellektuell. Erdacht hat es der „Spiegel“-Redakteur Dirk Kurbjuweit. Was der Anlass war, lässt sich leicht denken, was es zum Ausdruck bringen soll, ebenfalls: Nicht nur bildungsferne Rabauken, auch Bürger verlieren dann und wann die Fassung, wenn sie ihre eigenen Felle wegschwimmen sehen. So weit, so gut. Aber muss man das gleich auf einen so plumpen Begriff bringen? Die zehn "Wörter des Jahres 2010" der GfdS lauten:
1. Wutbürger
2. Stuttgart 21
3. Sarrazin-Gen
4. Cyberkrieg
5. Wikileaks
6. schottern
7. Aschewolke
8. Vuvuzela
9. Femitainment
10. unter den Eurorettungsschirm schlüpfen
AE
Meister des Weglassens
„Nichts, nichts“ von Bernhard Strobel
Wenngleich die Hauptfiguren in Bernhard Strobels Erzählungen allesamt Einzelgänger sind, geht es doch nicht zuletzt um die Familie. In ihr verdichtet sich der Schrecken der Welt. So gesehen steht der Autor in einer 150-jährigen literarischen Tradition. Doch während Aggression und Missgunst unter Angehörigen bei den Konfliktspezialisten Tschechow, Ibsen und Strindberg wortreich dramatisiert werden, lässt sie der Skandinavist Strobel in Sprachlosigkeit münden. Menschliche Begegnungen sind dadurch gekennzeichnet, dass man einander ausweicht. In einer kargen Prosa und mit zuweilen sarkastischem Humor zeichnet der 28-jährige Österreicher in seinem zweiten Erzählband eine enge Welt. Seine Figuren brillieren nicht. Sie geben wenig von sich preis. Und sie ertragen es nicht, wenn man ihnen zu nahe tritt. Auch der Autor vermeidet dies. Sparsam plazierte Andeutungen verweisen auf Begebenheiten, deren Bedeutung nur die Protagonisten kennen. Die Begebenheiten selbst bleiben außerhalb der Erzählungen. So entsteht ein Subtext, der spürbar, aber nicht sichtbar wird.
Strobel zeigt sich als Meister des Weglassens. Es bleibt dem Leser überlassen, diese Momentaufnahmen gescheiterter Aussenseiter, vor denen sich „das Leben mit seinem breiten Rücken aufgestellt“ hat, mit der eigenen Vorstellungskraft zu ergänzen. Oder auch nicht, denn dem Autor geht es kaum um psychologische Deutungen. „Es gibt Menschen, die in Erfahrungswelten leben, die wir nicht betreten können“, zitiert die Schwester des Protagonisten in der Geschichte „Ein stilles Abkommen“ einen bekannten Kriminologen. Dieser ursprünglich von John Steinbeck stammende Satz wird hier zum poetologischen Prinzip. Strobel will nicht erklären, er will zeigen. Das macht seine Erzählungen zu Sprachkunstwerken mit einem sehr eigenen, eigenwilligen Klang, der lange nachhallt.

Bernhard Strobel: „Nichts, nichts.“.
Erzählungen.
Literaturverlag Droschl 2010, 129 Seiten, gebunden, 21x13cm, 18 Euro.
ISBN 978-3-85420-766-5
AE
Place L`Etoile
Patrick Modianos erheblich verspätet übersetztes Romandebut
In deutscher Sprache erschien "Place L`Etoile" erst 2010 und damit 42 Jahre nach dem Erscheinen der Originalausgabe. Das erstaunt umsomehr, als der Autor dieses Texts, der schon 1968 in Frankreich viel Beachtung fand, inzwischen als einer der bedeutendsten französischen Schriftsteller der Gegenwart gilt. Ein entscheidendes Motiv für die lange Zurückhaltung war wohl die politische Unkorrektheit Modianos, seine grausam komische und extrem zynische Perspektive aus der er (wie der Titel doppeldeutig ankündigt) die Situation französischer Juden unter deutscher Besatzung schildert. Herausgekommen ist eine alptraumhafte Revue, in der Zeit und Ort, Opfer und Täter ständig changieren. Dem Autor geht es vor allem um die Täter und deren Steigbügelhalter, um ihre Grausamkeiten, ihre Vorurteile, ihre Skrupellosigkeit und ihre Niedertracht. Und Täter oder Kollaborateure sind hier mehr oder weniger alle, auch der jüdische Protagonist mit dem sprechenden Namen Raphaël Schlemilovitch, der in wechselnden Identitäten als ENS-Schüler, Dandy, Mädchenhändler, Bordellbesitzer und Klient von Sigmund Freud durch den Roman geistert, mal prahlerisch, mal von Selbsthaß getrieben. Wie Modiano, hat er einen meist abwesenden Vater, der sich im besetzten Paris mit krimineller Energie und Kollaboration durchlaviert. Der Autor beschreibt nicht selten mit filmischen Mitteln, mit schnellen Schnitten und Überblendungen, etwa in einer Szene, in der der Protagonist in Israel von Israelis gefoltert wird, die beinahe übergangslos zu Pariser SS-Leuten werden. Die surreale Textebene des Romans ist gespickt mit realen Schauplätzen und fußt auf einem fundierten Wissen über die Okkupationszeit. Zudem präsentiert sich der damals erst 22-jährige Modiano als belesener Literaturkenner, der mit den Früchten seiner Lektüre jongliert, indem er Zitate einflicht, jede Menge Namen einstreut, viele davon persifliert, einige Autoren miteinander verschmilzt und ihnen fiktive Biographien gibt. Um die Fülle an Verweisen und Andeutungen besser oder überhaupt erst entschüsseln zu können, empfiehlt es sich, Elisabeth Edls informatives Nachwort vor dem Roman zu lesen.

Patrick Modiano: „Place de l'Étoile“. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl.
Hanser Verlag, München 2010, 190 Seiten, 17,90 Euro.
ISBN 978-3-446-23399-7
3.12.2010 (2)
JW
Sparkassen-Website auf Kölsch
Die Sparkasse Köln-Bonn hat sich entschlossen, ihre Website auch in der Mundart ihrer Region anzubieten. Ob die übrigen Sparkassen Deutschlands folgen, bleibt abzuwarten.
Sparkasse Köln-Bonn auf Kölsch, Bönnsch ist für 2011 angekündigt.
2.12.2010 (1)